In Zeiten der Corona-Pandemie ist jede*r Einzelne in ihrem/seinem Alltag mehr oder weniger von den Einschränken betroffen. Auch im Hinblick auf foodsharing ist die Corona-Krise eine Phase, in der wir uns intensiv mit angemessenen Maßnahmen beschäftigen. Es ist häufig ein Spagat zwischen dem Retten von Lebensmitteln, der Versorgung von Bedürftigen und der Risikovermeidung für Foodsaver und Fairteiler-Nutzer. Besonders interessant ist da ein Bericht “aus erster Reihe”. Foodsharing Lübeck berichtet über die eigenen ersten Schritte auf dem Weg in Richtung foodsharing-Stadt und die eigenen Eindrücke und Erlebnisse aus der Corona-Krise.

Foodsharing in Lübeck

Am 19.11.2018 wurde der Verein foodsharing Lübeck e.V. beim Amtsgericht Lübeck in das zentrale Vereinsregister eingetragen. Im März 2019 bekamen wir vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit für unseren Verein bestätigt. Auf www.foodsharing.de fanden wir alle Informationen, die wir für die Vereinsgründung brauchen. Wir waren sehr dankbar über diese Informationen, die uns die Vereinsgründung und die Anerkennung der Gemeinnützigkeit enorm erleichterten bzw. erst möglich machten.

Die Vereinsgründung war für uns der Startschuss für ein erweitertes Engagement in der Stadt Lübeck über die bisherige Arbeit unserer Initiative hinaus. Ab diesem Zeitpunkt eröffneten wir ein Konto, schlossen eine Vereinshaftpflichtversicherung ab, bemühten uns um Spendengelder und eröffneten drei Fairteiler. All dies war uns vor der Vereinsgründung nicht möglich gewesen.

Uns wurde der Kontakt zu einer Lübecker Stiftung empfohlen, von der wir unkompliziert Unterstützung für T-Shirts und den Aufbau von Fairteilern erhielten. Einen Fairteiler finanzierten wir über ein Crowdfunding auf der Seite www.betterplace.org. Wir organisierten Schnippelpartys und diverse Informationsstände (z.B. in der Universität oder der Ehrenamtsmesse). Eine Rettung bei Dräger, einem großen Wirtschaftsunternehmen in Lübeck, ermöglichte uns die Eröffnung unseres 3. Fairteilers auf dem Grundstück des Unternehmens.

Um in der Stadt bekannt zu werden, Verbündete für unsere Arbeit zu finden und noch mehr Lebensmittel retten zu können, beschlossen wir außerdem, uns verstärkt an die Kommunalpolitik zu wenden. Gerne möchten wir von diesen Aktivitäten berichten, damit andere Städte es als „Best Practice“ nutzen und es uns gleichtun können.

Wir „retteten“ z. B. die Reste von Buffets im Lübecker Rathaus. Während dieser Rettungen lernten wir den Lübecker Bürgermeister, die Lübecker Senator*innen, die Lübecker Stadtpräsidentin sowie eine Reihe von Kommunalpolitiker*innen verschiedener Parteien kennen. Eine Partei in Lübeck – die GAL (Grün-alternativ-links) - stellte daraufhin im Lübecker Stadtparlament einen Antrag für einen „Runden Tisch foodsharing“, der von einer sehr breiten Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft angenommen wurde. Den Antrag inklusive zugehöriger Argumentation findet ihr auf der Seite der GAL. Vielleicht kann dieser Antrag als Muster für andere Städte dienen, um an die Stadtverwaltung heranzutreten.

Am 30.03.2020 sollte der Runde Tisch zum 1. Mal stattfinden. Neben foodsharing lud der Sozialsenator auch folgende Gruppen ein: der Lebensmitteleinzelhandel, Gastronomiebetreibende, die Lübecker Tafel e.V., Marktstandbetreiber*innen und die Mitglieder der Fraktionen der Bürgerschaft. Die Moderation des Runden Tisches sowie die Verantwortung, zu Folgeterminen einzuladen, wurde Foodsharing Lübeck übertragen. Leider kam die Corona-Krise dazwischen, sodass der 1. Termin für diesen Runden Tisch auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste.

Obwohl die Terminverschiebung ein herber Rückschlag für uns war, so zeigte sich die Corona-Krise jedoch auch als Chance für foodsharing Lübeck: Aufgrund von Personalengpässen konnte die Tafel übriggebliebene Lebensmittel nicht mehr regelmäßig bei Supermärkten abholen. Viele ehrenamtliche Mitarbeiter der Tafel fielen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Risikogruppe aus. Die zentrale und nicht-digitale Organisation der Tafel-Abholungen erschwerten die Situation. Unser Online-System, unsere – zum Glück – vielen fitten Foodsaver*innen und unsere dezentrale Organisationsform ermöglichten es uns, weiterhin zu retten und sogar unsere Rettungen noch auszuweiten. Lebensmittel, die die Tafel aktuell nicht abholen kann und die somit in der Mülltonne landen würden, werden nun durch foodsharing Lübeck gerettet. Dabei ist es uns besonders wichtig zu betonen, dass wir nie vorhatten, eine Konkurrenz für die Tafel zu sein. Unser Ziel war und ist es lediglich, die Lücke zu schließen und die Lebensmittel zu „retten“, die trotz des Engagements der Tafel weggeschmissen werden müssten. Dass diese Lücke in der Corona-Krise größer wurde, machte die Arbeit von den Foodsaver*innen in Lübeck umso wichtiger.

Um jedoch auch unsere Foodsaver*innen angemessen zu schützen, beschlossen wir, pro Rettung maxmal zwei Foodsaver zuzulassen und Empfehlungen bezüglich Hygienemaßnahmen (Mundschutz, Handschuhe, Anstand halten) heraus zu geben. Auch im Hinblick auf unsere Fairteiler ergriffen wir Maßnahmen: Nachdem es am Anfang der Corona-Krise zu unschönen Auseinandersetzungen zwischen Lübeck*innen gab, die um Lebensmittel stritten, entschlossen wir uns die Fairteiler vorerst zu schließen. Wir brachten rot-weiße Abstandshalter vor den Fairteilern an und öffneten diese wenige tage später wieder. Seit der Wiedereröffnung bekam wir keine Meldungen mehr über Unruhen in der Nähe der Fairteiler. 

Über unsere Arbeit erzählten wir mit Berichten und Statusmeldungen in den sozialen Medien (Facebook: https://www.facebook.com/foodsharingluebeck/ Instagram: @foodsharing.luebeck). Auch die Lübecker Nachrichten, als auflagenstärkste Lokalzeitung, fütterten wir regelmäßig mit Informationen. Hierzu können wir anderen foodsharing-Städten nur empfehlen, aktiv den Kontakt zu Redakteur*innen zu suchen und Neuigkeiten über kurze Wege weiterzugeben. Ofmtals genügt anstelle einer Pressemitteilungen ein kurzer Anruf oder eine kurze E-Mail mit Informationen an eine/n Redakteur*in. 

Hier ein paar Zeitungsberichte über uns seit der Vereinsgründung:

Zu Beginn der Corona-Krise kam es in Lübeck zur Gründung von „Gabenzäunen“, um Bedürftige mit dem Notwendigsten zu versorgen. An diese wurden häufig auch Lebensmittel gehängt. Aufgrund von Hygienebedenken im Hinblick auf verderbliche und kühlpflichtige Lebensmittel, empfohlen wir der Stadt, verstärkt auf foodsharing-Schränke zu setzen. Nach einem Telefonat mit dem Sozialsenator folgte die Zusage, in Zusammenarbeit mit der Handwerker-Innung und lokalen Tischlerei-Betrieben, noch vor Ostern 2-4 Schränke aufzustellen. Zeitgleich starteten wir einen Aufruf über Facebook mit dem Tenor: „Wir suchen geeignete Standorte und Freiwillige für die Pflege der Schränke“ und wurden mit Antworten und Anfragen überschüttet. Um der Informationsflut zu begegnen, legten wir eine Liste mit den möglichen Standorten an. Der Sozialsenator und der Bürgermeister gaben außerdem ihre Einschätzungen ab, in welchen Stadtteilen die meisten Lebensmittel benötigt würden. Anhand dieser Liste und der Empfehlungen der Stadtverwaltung wählten wir die Standorte für die 2-4 zukünftigen Fairteiler aus.

Im Moment warten wir gespannt und voller Freude auf die neuen Fairteiler und führen fleißig Rettungen bei Supermärkten durch. Wir freuen uns, in der Corona-Krise Menschen helfen zu können und aktiv sein zu dürfen. Auch wenn wir uns damit unserem eigentlichen Ziel - irgendwann nicht mehr gebraucht zu werden - momentan entfernen. Aber: Dafür gibt ja zum Glück eine Zeit nach Corona.

Unser Fazit und unsere Empfehlungen für alle foodsharing-Städte (und solche, die es werden wollen):

  • Gründet einen Ortsverein, ihr habt damit viel mehr Möglichkeiten.
  • Kooperiert neben der Tafel auch mit der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik, sucht aktiv den Kontakt. 
  • Nutzt die Macht der (sozialen) Medien.

Wir wünschen allen anderen Städten FROHES RETTEN während und nach der Corona-Krise!

Bei Fragen schreibt uns eine Mail unter: luebeck@foodsharing.network   Für das foodsharing-Team Lübeck
Sophie Bachmann

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